Meine Geschichte
Mein Name ist Vanessa Reins und ich gehöre mit meiner Flachstrick-Kompression nun schon etwas länger zum „Team Antischweinehund“ und gebe mich meinem Lip-/Lymphödem Stadium II (Arme und Beine) nicht mehr geschlagen: Rennrad, Trampolin, Schwimmen, Walken/Joggen, Pilates, Hula Hoop – ich probiere alles aus, entdeckte den Sport als neues Hobby und verlor dadurch auch über 30?kg.
Auf diesem Weg habe ich erkannt, dass unsere Möglichkeiten im Umgang mit dem Lipödem – wider einiger Behauptungen – nicht endlich sind. Es ist ein harter Weg, denn auch ich musste meine Grenzen ausloten, darüber hinausgehen und vor allem hinauswachsen. Aber es hat sich gelohnt.
Heute kann ich rückblickend sagen, dass ich vor allem durch meine überwiegend veggie/vegane Ernährung und Flachstrick-Kompression meine Lipödemschmerzen in den Griff bekommen habe. Ich habe mein Mindset um 180 Grad gedreht und dadurch mit meinem Lipödem Frieden schließen können.
Sich selbst akzeptieren ist für viele ein großes Problem, aber ich wünsche mir von Herzen, dass auch du deinen ganz persönlichen Weg findest. Ob mit Liposuktionen oder nicht – ob mit oder ohne Sport. Am Ende zählt, dass wir uns so akzeptieren wie wir sind – auch mit Lipödem.
Wie alles begann
Anfang 2020 sollte sich für mich alles ändern. Das wusste ich nur noch nicht. Wir sind kurz vorher umgezogen und hatten dadurch auch neue Nachbarn. Einer unserer Nachbarn ist Triathlet… und was soll man sagen?! Gott sei Dank. Er hat meinen Mann und mich dazu animiert, dass wir wieder mit dem Radfahren anfingen. Damals noch mit unseren Mountainbikes.
Am 1.5.2020 machten mein Mann und ich die erste gemeinsame Tour – natürlich direkt mal 20 km. Wie sich danach mein Hintern trotz Winter-Fahrradhose inkl. Polster angefühlt hat, können sich sicherlich einige vorstellen. Dennoch ging es ab da einfach los. Konstant. Wir fuhren ab da gemeinsam oder auch alleine, jede Woche mehrmals. Nach einiger Zeit war es nun einfach verankert und ein fester Bestandteil meines Alltags. Klar, die zu dieser Zeit herrschenden Umstände (Corona) haben dazu sicherlich auch einen großen Teil beigetragen, weil man ja „eh nichts besseres“ machen konnte.
Es machte mir selbst Freude, zu sehen, wie sich meine Geschwindigkeit auf die gleiche Strecke stetig verbesserte. Ich habe bei allem was ich tue im Übrigen immer einen großen Ehrgeiz und Perfektionismus. Denn, wenn ich etwas tue, dann auch richtig!
Im August 2020 sollte sich dann ein weiterer Meilenstein in meinem Sportleben einreihen. Mit all meinem Mut fuhr ich das allererste Mal mit dem Rennrad! Die Freundin unseres Triathlet-Nachbarn ist fast genau so groß wie ich, daher konnte ich ihres zum Testen fahren. Das Werkzeug allein reicht nur manchmal nicht aus – ich fühlte mich wie ein Elefant im Porzellanladen. Mit meinem Körperbau waren mir diese dünnen Reifen gar nicht geheuer und so lief auch die erste Fahrt. Ich fuhr gefühlt 10 km/h und mir taten die Hände ohne Ende weh, diese Haltung war ich natürlich gar nicht gewohnt.
Nachdem mich fast ein anderer Rennrad-Fahrer noch umgenietet hätte, war meine Motivation nach den ersten 10-Rennrad-km nicht gerade sehr hoch. Ich wusste gar nicht, ob es mir gefallen hat oder nicht. Ich war wirklich total unsicher und wusste nicht was ich davon halten sollte. Aber wie ich nun mal bin, habe ich dem Ganzen wenig später eine neue Chance gegeben. Siehe da: Es hat mir sehr wohl gefallen! Und: Ich wollte mein eigenes Rennrad haben.
Sport als neue Priorität in meinem Leben
Bevor ich im Mai 2020 wieder aufgesattelt bin, war mein Sportleben eher sehr – nennen wir es mal – zurückhaltend. Ich habe immer mal wieder Sport gemacht, aber leider nicht regelmäßig oder mit bestimmten Zielen.
Am Anfang dieses neuen Weges mit dem Sport, stand (wie wahrscheinlich bei den meisten) oft der innere Schweinehund etwas im Weg. Aber ich habe ihn jedes Mal vertrieben und bin mit jeder einzelnen Sporteinheit Richtung #teamantischweinehund gewandert. Heute gehöre ich als festes Mitglied dazu und überwinde mich jedes Mal aufs Neue, selbst wenn ich mal keine Lust habe. Und glaubt mir, dass passiert öfter als mir lieb ist.
Im Mai 2020 hatte ich stolze 99,4 kg bei 1,67?m. Kein Wunder, dass ich mich mit diesen Maßen auch nicht immer ganz wohl gefühlt habe, vor allem nicht beim Sport. Ich bin froh, dass mir das zwar im Kopf rumgeschwirrt ist, was andere wohl gerade von mir denken KÖNNTEN, aber im Endeffekt war es mir dann doch egal. Es geht hierbei ja um mich und nicht darum, was X oder Y von mir denkt. Und selbst wenn es jemandem nicht gepasst hätte, das tangiert mich nicht (mehr).
Warum sollte ich mir die Chance auf einen gesunderen Körper von jemand anderem nehmen lassen? Richtig. Es gibt keinen Grund dazu.
Ich bin seither und mit dieser inneren Einstellung viel aufgeschlossener geworden auch mal neue Sportarten zu probieren, um zu sehen ob es was für mich ist. Man muss oftmals aus einer oder mehreren Komfortzonen heraustreten, damit man vorwärtskommt. Das ist meine Einstellung und ich finde das einen ziemlich guten Weg.
Ernährung und Abnehmen
Nicht nur beim Sport habe ich neue Wege eingeschlagen, sondern auch beim Thema Ernährung. Ich esse seit Ende 2019 sehr wenig tierische Eiweiße (auf Empfehlung des Facharztes), da diese im Zusammenhang mit dem Lipödem u.a. ein Trigger für Schmerzen sein können.
Nachdem ich bereits fünf Monate Sport gemacht hatte, zeigte mir die Waage „nur“ ein Minus von 2,7 kg. Da ging natürlich noch einiges. An einem Sonntag, bei dem ich auf der Couch lag und im Internet surfte, kam ich (wie auch immer) auf die Webseite von Weightwatchers (weiß bis heute wirklich nicht wieso) und habe mich einfach angemeldet. 2012 hatte ich dadurch schon einmal über 21 kg abgenommen. Diese schlichen sich allerdings über die Jahre wieder drauf.
Am 5.10.2020 begann somit der „richtige“ Startschuss für meine aktuelle Abnehm-Reise. Ich konnte über 30?kg abnehmen und fühlte mich wieder richtig wohl. Bevor ich mit WW wieder anfing, habe ich mit Ernährungsberatern und Coaches gesprochen. Ganz oft fiel der Satz: „Auf WW und alles abzuwiegen habe ich keine Lust mehr“. So viel dazu… Heute muss ich sagen, dass es dabei total einfach ist und (wie man sieht) funktioniert. Ich bin im Team Grün und habe dadurch die volle Kontrolle darüber was ich esse und allein das fühlt sich super an.
Durch das einfache Planen meiner Punkte am Tag oder auch in der Woche kann ich somit alles essen worauf ich Lust habe, nur eben in Maßen. Ich kann somit allen Diät-Angsthasen eine Sorge nehmen: Ich esse z.?B. mindestens einmal in der Woche Pizza! Es gibt so viele tolle Rezepte und Alternativen, man muss sich nicht runterhungern. Ich sag immer, dass Diät so lecker sein kann. Eigentlich ist es gar keine Diät, es ist vielmehr ein neues Bewusstsein zum Thema Essen und Kalorien. Ich habe durch das Punktebudget am Tag auch keine Angst davor, mir mal etwas bestimmtes zu gönnen. Ein Stück gedeckter Apfelkuchen vom Bäcker hat genau die Hälfte meiner Tagespunkte, aber wenn ich das Essen am restlichen Tag dazu passend plane, wäre auch das kein Problem.
Und das Allerbeste: Man muss auf nichts verzichten. Solange man die Punkte plant, kann man auch weiter Schokolade, Brötchen usw. essen (in Maßen natürlich). Mir fiel es immer schwer Diäten zu machen, bei denen man auf dies oder jenes verzichten musste. Das war einfach nicht meins. Aber am Ende müssen natürlich auch hier alle ihren eigenen Weg finden.
Wie ich selbst zur Diagnose kam
2014 hatte mich eine Freundin auf das Lip-ödem angesprochen. Sie hatte eine Arbeitskollegin die beim Arzt ihre Diagnose erhielt. Da meine Freundin meinen Körper aus dem Schwimmbad natürlich kannte, hat sie die erste Vermutung ausgesprochen. Zudem wurde ich durch die Kampagne einer Fotografin selbst stutzig und dachte „das könnte ich sein“. Am 24.10.2014 hatte ich meinen Termin beim Facharzt und der Verdacht wurde real.
„Ja klar haben Sie es!“ – in diesem Wortlaut sprach der Arzt aus, was ich selbst über die Jahre nie verstanden hatte. Es waren die Worte die auf einmal erklärten, warum ich schon als Teenager immer diese dicken Oberschenkel hatte, ohne dabei komplett dick zu sein.
Wie das in der Realität so ist, musste ich das natürlich erst einmal sacken lassen. Ich wusste nun was ich habe, aber ich wusste nicht was ich tun soll. So kam es, dass meine erste Kompressionsversorgung die reinste Katastrophe war. Ich kam damit so gar nicht klar und machte innerlich zu. Die Broschüren die ich vom Arzt und Sanitätshaus bekam, haben mir einige, aber nicht alle Fragen beantworten können. Social Media war damals insgesamt noch nicht so ausgeprägt wie heute und somit stand ich ziemlich alleine da. Die Krankheit war damals noch so unbekannt, dass ich auch in meinem Umfeld niemanden kannte der mir helfen oder mit dem ich mich austauschen konnte. So blieb mir nur das übrig was ich hatte, meine Phlebologin und ihre Anweisungen. Diese waren recht einfach: konservative Therapie.
Hast du schon die Diagnose oder aktuell „nur“ die Vermutung? Ich ermutige dich mit diesem Beitrag dazu, dass du dich der Sache stellst. Du hast nur zwei Optionen:
A) Du hast kein Lipödem – Yay, das ist super!
B) Du hast Lipödem – und nun kannst du etwas dagegen tun.
Allein die Vermutung, dass du es haben könntest, bringt dich schon viele Schritte weiter. Die meisten Betroffenen wissen nämlich nicht mal etwas von der Krankheit. Auch ich hatte früher immer den Gedanken, dass ich „nur“ dick bin. Suche dir einen Phlebologen in deiner Nähe, habe keine Angst und mach einen Termin aus. Du schaffst das!
Mein Weg mit Lipödem & Sport
Glücklicherweise habe ich die Diagnose mit 25 relativ früh bekommen und bin seit meiner ersten Reha im Sommer 2017 auf dem besten Weg mit mir selbst. Mein Umfeld unterstützt mich seit Stunde 0. Mein Mann, meine Familie und Freunde hatten immer vollstes Verständnis für mich. Damit war ich zumindest mental damals nicht alleine mit dem Thema. Nach und nach habe ich auch mein „mir-nicht-ganz-so-nahestehendes-Umfeld“ in die Thematik eingeweiht. Auf der Arbeit plötzlich auf Toilette immer länger zu brauchen (wegen der Kompression) war mir ohne etwas zu sagen dann doch etwas unangenehm.
Irgendwann habe ich den Punkt erreicht an dem ich komplett offen mit dem Thema umgehen konnte. Das war einer der wichtigsten Schritte, um mit der Krankheit zurecht zu kommen. Auch das Thema Kompri war am Anfang nicht so einfach, aber ich habe auch durch die Reha meine Kompri lieben gelernt.
Glaube mir, wenn ich dir sage: Ich habe das Ding zuvor gehasst und habe mir NIEMALS vorgestellt, dass ich die Einstellung erlange die ich heute habe.
Stopp Bodyshaming!
In den vergangenen Monaten wurde mir durch meinen erfolgreichen Weg eins sehr klar: In der Lip-Community herrscht eine große Diskrepanz in der Wahrnehmung und der Stadien untereinander.
Ja, ich habe 30 kg abgenommen.
Ja, ich fühle mich wohl.
Ja, ich habe es meinem Lipödem sowas von gezeigt wo es lang geht.
Ja, ich lasse meinen Schweinehund nicht mehr gewinnen.
Ja, ich bin für einige ein Vorbild.
Und die Kehrseite der Medaille:
Ja, ich bin auch ein Opfer von Bodyshaming.
Ja, ich habe auch Schmerzen.
Ja, ich wünsche mir auch einfach normale Beine zu haben.
Ich wünsche mir, dass mit diesem Bodyshaming aufgehört wird. Wir tun so viel für alles Mögliche, wollen die Welt retten und für mehr Toleranzen sorgen. Ist auch richtig, aber warum schafft es die Gesellschaft nicht, dass man andere einfach akzeptiert wie sie sind? Und warum können vor allem Lipies sich aus den unterschiedlichen Stadien nicht gegenseitig ernst nehmen oder klagen sich dauernd an? Wir sitzen alle im gleichen Boot. Es gibt keine „besseren Beine“ und man darf nicht vergessen: Schmerz ist unsichtbar.
Genau deshalb sage ich immer wieder, dass jede ihren eigenen Weg finden muss – und das vor allem im eigenen Tempo. Es müssen nicht die riesen Sprünge/Aktionen sein. Kleine Ziele, kleine Schritte, aber tut etwas für euch. Ich mache das alles für mich ganz alleine! Für niemanden sonst. Wir sind keine Opfer, wir sind ALLE starke und wunderschöne Frauen.
So – Motivation gefällig?
Seit September 2020 blogge ich auf Instagram/Facebook aktiv über den Sport mit Bezug auf das Lipödem. Aber nicht nur Lipies profitieren von meiner allgemeinen Aufklärungsarbeit, nein – auch ohne Lipödem motiviere ich meine Follower zum Sport und verbreite Mut. Jeden Tag erreichen mich dankbare Nachrichten der verschiedensten Facetten.
Die Kernarbeit meines Profils hat sich dahingehend entwickelt, dass ich auch viele Tipps zum Lipödem gebe und Aufklärungsarbeit leiste. Ich lasse meine Community einfach an meinem Leben teilhaben, somit ist für alle etwas dabei. Schau gerne vorbei, wenn du mehr zum Thema Sport & Lipödem wissen wollt. Ich bin froh, dass ich somit einen Einblick in mein (Lip- & Sport-)Leben gebe und alle Fragen nach bestem Wissen und Gewissen beantworte. Warum ich es tue? Damit keine von uns so alleine mit dem Thema ist, wie ich es damals war. Oftmals fühlte ich mich am Anfang in dieser Social-Media-Welt nicht wohl oder sogar fehl am Platz, aber auch hier habe ich meinen inneren Schweinehund überwunden und meinen Weg gefunden.
Wie ist es mit dir? Wo willst du hin?
Bist du bereit es anzugehen?
Egal was es ist: Gib alles, außer auf.
Warum ich meinen Weg getreu dem Motto #lipödemohneop gehe
Ich muss hier ganz deutlich sagen, dass ich für mich den Weg ohne OPs entschieden habe. Jede:r muss das für sich selbst entscheiden – ich habe mit der konservativen Methode plus die Ernährungsumstellung und den Sport meinen Weg gefunden. Und da mir dieser „konservative Weg“ selbst so wichtig geworden ist, habe ich daher dafür einen Hashtag ins Leben gerufen: #lipödemohneop
Ich akzeptiere dennoch beide Seiten. Die Frauen mit #liposuktionbeilipödem haben keinen leichten Weg vor bzw. hinter sich. Es ist ein enormer Eingriff, vor allem auch für die Psyche. Falls du noch nicht weißt, welchen Weg du gehen willst: Informiere dich einfach über beide Seiten – es wird sich zeigen, wohin deine Reise gehen soll.
Ich habe aktuell eine Basis geschaffen, bei der ich soweit mit allem super zurechtkomme. Klar, es nervt, dass die Krankenkassen die Anzahl der Kompressionsversorgungen reduziert hat und dass die Schmerzen manchmal trotz allem aus dem Nichts kommen. Aber ich habe eine positive Grundeinstellung. Zu mir. Zum Lipödem. Zu meinem Körper ganz generell. Als ich die Basics (Kompri und MLD) in meinen Alltag komplett integriert hatte, kam der Sport dazu und das war wirklich das Beste was mir passieren konnte.
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