Isabell

Hallo,

ich bin Isabell, bin 31 Jahre alt, komme ursprünglich aus Ostfriesland und wohne aktuell in Berlin. Seit 2008 leide ich an einem primären Lymphödem.

Als ich 18 Jahre alt war schwoll von heute auf morgen mein linker Fuß an. Da ich im Krankenhaus arbeitete, ging ich direkt in die Notaufnahme. Von dort wurde ich in die Gefäßchirurgie weitergeleitet, aber es wurden nichts diagnostiziert. Ich sollte mich dann bei einem Orthopäden vorstellen, dieser gab mir einen Zinkverband gegen Entzündungen, was allerdings nicht geholfen hat. Daraufhin habe ich einen Kompressionsstrumpf bekommen und den auch angezogen bis eine Mutter von einem Freund Bemerkungen machte, dass ich doch viel zu jung für diese hässlichen Strümpfe bin. Danach habe ich ihn nie wieder getragen und stattdessen gelernt, mit einem dickeren Fuß zu leben. Er schmerzte kaum noch und ich konnte ja noch Turnschuhe und Ballerina tragen.

Ich bin dann 2009 nach Österreich gezogen und habe mich dann 2012 erneut untersuchen lassen, da sich der Zustand verschlimmert hatte. Ich wurde wieder zum Gefäßchirurgen geschickt, aber es wurde erneut nichts festgestellt. Mir wurde MLD verschrieben, ich habe aber keinen Effekt bemerkt, weshalb ich dies nicht fortführte. Der Arzt meinte dann zu mir, dass man gegen Ödeme nichts machen kann. Ich war damals ziemlich aufgebracht und habe mich sehr hilflos und allein gelassen gefühlt, weshalb ich wieder Jahrelang mit dem dickeren Fuß gelebt habe. Stück für Stück, besonders im Sommer wurden die Schmerzen mehr und mein Fuß wurde dicker. Ich habe nicht mal richtig gemerkt, wie er noch dicker wurde, weil ich ja damit einfach lebte. Schuhe kaufen war für mich einfach schon immer Horror. Ich lernte schnell, dass ich niemals schicke High Heels anziehen werde. Ich bin sogar ohne Kompressionsstrümpfe oder ähnlichem nach Australien und Vietnam geflogen, da kann ich heute nur noch meinen Kopf schütteln, wenn ich darüber nachdenke.

2017 bin ich dann nach Portugal gezogen und als 2020 Corona kam war ich von jetzt auf gleich im Home Office. Dort konnte ich meine Beine während der Arbeit hochlegen und habe gemerkt, wie gut mir diese Position tut. Die Schmerzen wurden dennoch wieder stärker. Ich habe es aber dennoch nicht weiterverfolgt, da bei den letzten Untersuchungen nichts festgestellt wurde. Dementsprechend ging ich davon aus, dass man ohnehin nichts machen könnte.

2021 kam dann der große Umzug nach Deutschland. Es war wirklich sehr stressig, ich bin alleine nach Berlin gekommen, um meine Arbeit anzutreten und um eine Wohnung zu suchen. Leider habe ich bevor ich überhaupt meine Arbeit antreten konnte, diese aus betrieblichen Gründen verloren. Und dann stand ich da: Keine Arbeit, keine feste Wohnung, mein Partner noch in Portugal. Dies hat mich innerlich sehr aus meinem Gleichgewicht gebracht. Meine Schwester war dann für ein langes Wochenende zu Besuch und danach fing auf einmal der rechte Fuß an zu schmerzen und ist auch angeschwollen. Ich ging zum Hausarzt, dieser hat mich dann direkt zu einem Angiologen geschickt. Als dieser mich sah, meinte er direkt, dass ich ein Lymphödem habe. Da war sie nun, eine offizielle Erklärung für alles, sie wurde einfach an meinen Kopf geschmissen. Ich war fassungslos und wusste gar nicht was ich dazu sagen sollte. Auch mein rechter Fuß hat ein Lymphödem, wahrscheinlich ausgelöst durch eine kleine Wunde (Ich weiß nicht wie diese Wunde entstand).

Der Arzt gab mir noch ein Rezept für ein paar Flachstrick Kompressionen und eine Telefonnummer von einer Dame, die am Morgen die Beine abmessen sollte.

Dazu kommt auch, dass mir der Arzt kein gutes Gefühl gegeben hat, aber dazu kommen wir noch zu einem späteren Zeitpunkt. 2 Tage später kam die Sanifee am Morgen, damit sie mich misst, wenn meine Füße am dünnsten sind.

Es war alles so neu für mich und ich hatte so viele Fragen, wusste aber auch nicht so wirklich, wo ich anfangen sollte. Ich habe ein kurzes und ein langes Paar bekommen in der Farbe Sand.

Ich konnte meine Lieblingskleidung nicht mehr tragen, es war Sommer und ich war wirklich verzweifelt. Ich habe mich sehr für meine Beine geschämt, die einst mal mein Merkmal waren. Ich konnte auch keine offenen Schuhe wie Birkenstock mehr tragen. Ich weiß bis heute nicht, wie ich den ersten Sommer überstanden habe. Im Herbst und Winter war alles in Ordnung, denn ich konnte meine Strümpfe ganz normal anziehen, eine schicke Strumpfhose drüber und wieder schöne Röcke/Kleider tragen. Ich muss nur eben zusätzlich 15 Minuten am Morgen einplanen.

Ich hatte dann einen neuen Termin beim Venenspezialisten zur Kontrolle im August und wollte auch gleichzeitig ein Rezept für MLD haben, allerdings wollte er mir dies nicht ausstellen, da dann sein Wartezimmer ja bis oben hin voll wäre. Dazu meinte er auch, dass ich mich nicht beklagen soll, denn immerhin habe ich sehr schöne Beine und er wisse, dass es verpönt sei, ein Lymphödem zu haben. Er begründete dies auf eine beleidigende, undifferenzierte und unwissenschaftliche Art und Weise, die mich doch sehr an seinem Status als “Spezialist” hat zweifeln lassen.

Mein (ehemaliger) Hausarzt wollte mir auch kein Rezept ausstellen. Obwohl ich allen ein offizielles Schriftstück zum Lesen gab, wo schwarz auf weiß steht, dass man mir die MLD verschreiben kann, ohne dass es aufs Budget geht. Am Ende habe ich die MLD schließlich über meinen Frauenarzt bekommen, ich suchte mir für die 6 Termine eine Praxis in der Nähe von meiner Wohnung. Allerdings habe ich auch durch die Therapeuten keine Verbesserung gemerkt. Stattdessen wurde darüber geredet, dass ich eine gute Kundin wäre, da ich nun regelmäßig die MLD benötigen würde und so das Geld immer fließen würde. Das empfand ich als sehr zynisch, unsensibel und allgemein unangebracht, weshalb ich mit der Physio wieder aufhörte. Ich habe mich dafür dann auf eigene Kosten bei der Aqua Gymnastik angemeldet.

Im Dezember 2021 war ich dann bei einer neuen Ärztin und sie war wirklich toll. Ich war gerührt, dass sie sich Zeit für mich genommen hat und sogar noch Tipps und Tricks erzählte, sowie mir einen Verbesserungsvorschlag für meine Strümpfe gab. So habe ich nun Zehenkappen. Sie hat mir dann Lymphdrainage verschrieben als Dauerrezept und auch einen Kontakt gesendet, um einen Lymphomaten zu bekommen. Leider wurde dieser von der Krankenkasse abgelehnt, da ich noch keine vollen 6 Monate MLD erhalten hatte. Ich habe einen Widerspruch eingelegt, in dem ich von dem sehr unangenehmen und sexistischen Arzt geschrieben habe, der Frauenärztin die mir netterweise ein Rezept ausstellte, dem Physiotherapeuten, der sich nicht für mich, sondern fürs Geld interessiert hat, dem Hausarzt, der sich weigerte, sowie der Aqua Gymnastik die ich selber bezahlt habe, aber dennoch ging mein Antrag nicht durch.

Das ist doch alles ein Teufelskreis. Durch diese ganze psychische Belastung wurde ich dann mental Krank und war für 4 Wochen von meiner Arbeit freigestellt. Ich wünsche niemanden Depressionen, ich habe mich noch nie so verloren gefühlt.

Bei meiner neuen Ärztin bin ich mittlerweile zum Glück sehr gut aufgehoben. Sie stellt mir die Rezepte aus, die ich benötige und verfügt über Verständnis für meine Situation sowie Fachkenntnis über das Lymphödem. Hindernisse gibt es aber dennoch nach wie vor. So ist es etwa sehr kompliziert, Produkte zu erhalten, die neu auf dem Markt sind. Für diese ist es unklar, welche Information auf dem Rezept stehen muss, weshalb ich dafür selber recherchieren und mich informieren muss. Viele Informationen bekomme ich durch die tolle Instagram Community, wo man sich gegenseitig unterstützt und Informationen mit den anderen teilt.

Das war erstmal meine Geschichte bis heute.

Dennoch habe ich meine Lebensfreude nie verloren und habe gelernt, was ich im Sommer anziehen kann und mit welchen Klamotten ich mich wohl fühle. Aber meine Kompression werde ich nicht mehr verstecken.

Der nächste Step in meiner Lymphödem-Karriere ist im Oktober eine spezielle Untersuchung in der Uni Klinik Bonn. Bei dieser Lymphangiographie wird mir Kontrastmittel zwischen die Zehenräume gespritzt und dann komme ich ins MRT, damit man genau sehen kann, welche Lymphe nicht mehr richtig arbeiten.

Mit meinem Instagram Account @Luminous_Lymph_Bella möchte ich mehr Menschen über diese Krankheit aufklären, Wissen sowie Tipps verbreiten und für das Thema sensibilisieren. Also folgt mir gerne.

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